Von den allgemeinen Pflichten eines jeden Bruders.

 

 

§ 1.

Obwohl alle Menschen ohne diese unsere Verordnung Gott und die Natur geistlich- und leiblicher Weise einen tugendlichen Lebenswandel zu führen verbunden sind, so wollen doch die Gesetze unserer hochlöblichen Verbrüderung allen derselben anhangenden würdigen Gliedern vorzüglicht die Erfüllung des ersten Eidespunktes, nämlich die heilige Gottesfurcht bündigst aufgetragen und anempfohlen haben, damit ein jeder durch die selbe Weisheit erlangen, und weder wider Gott noch wider die Liebe des Nächsten, auch nicht wieder den Staat und das gemeine Beste sich verfehlen, sondern wie ein wahrer Christ und von der Freygeisterey weit entfernter Religionsfreund von vielen andern als ein friedfertiger, stiller, ehrbarer und dienst­eifriger Weltbürger angesehen, auch so viel möglich vor dem Schöpfer und dessen Geschöpfen als ein gerechter Mann er­funden werden möge. Denn hierdurch muß die obere Seegens­-Gnade erhalten, und bösem Vorartheil widerstanden werden; nicht minder auch die hochlöbliche Verbrüderung unter dem Schutze des Höchsten unangefochten verbleiben.

 

§ 2.

Der dirigirende Meister oder Obere von dem ganzen O. soll sich und seine Handlungen wegen der allenfalls gefährlichen Lage des Orts wohl bedenken, auch allen seinen unterhabenden Bbrn. die nöthige Vorsichtigkeit kräftigst anbefehlen, und wann sich ein oder anderer wider diesen Artikel verfehlen und straf­bar befunden werden sollte, so wäre solcher für das erstemal mit einer so wohl seinem Verbrechen, als auch dessen Vermögen angemessenen Geldstrafe zu belegen; das zweytemal aber auf 3, 6 oder 9 Monate von allen brüderlichen Versamm­lungen auszuschließen und zum drittenmal dem Verbrüderungs-­Bann gänzlich zu unterwerfen. Doch muß im Fall einer so unglücklichen Begebenheit der Umstand schnell einberichtet, die Anordnung, wie einem größeren Übel und der Entdeckung zu entgehen sey, abgewartet, und alsdann erst mit der Be­strafung fortgefahren werden.

 

§ 3.

Und da unser Verbrüderungs-Ziel nichts anders ist, als Weis­heit, Kunst und Tugend zu erlangen, um Gott zugefallen, und dem Nächsten zu dienen, so sollte in Betrachtung dessen ein jeder Br. jedoch ohne in seinem Berufe etwas zu verabsäumen, noch in seinen oder in Religions-, Staats-, Lands-, Diensts-, Handlungs- und Haushaltungs-Geschäften sich selbst zu ver­hindern, sondern so oft er erst den geistlich- und weltlichen Gesetzen zu der seinigen und dem allgemeinen Besten rühmlich obgelegen, auch gewissenhaft Genüge geleistet, und Zeit übrig hat, sich mit unermüdetem Fleiße und mit Verabscheuung alles Müßigganges zur Naturkunde wenden, und seine Gott geheiligte Ons Pflichten in die löbliche Erfüllung bringen.

 

§ 4.

So soll auch der Director mit Großmüthiger Geduld und Menschenliebe seine unterhabende Glieder nach Thunlichkeit öfters versammeln, nach seinen Kräften, und der ihm von uns anvertrauten Instruktion gemäß so belehren, wie es die Ons Grade, so sie wirklich schon besitzen, vorschreiben oder gestatten können, auch wie es die strengste Ordnung sonst noch erfordert; als ein gesetzter Mann die wißbegierigen Söhne und Bbr. mit aller Bescheidenheit regieren, ihnen aber ja auf keine Weise lästig seyn, damit er nicht aus eigenen bösen Absichten gar selbst strafbar erfunden werden möge.

 

§ 5.

Nicht minder sollen die werthgeschätzten Bbr. ihrem vor­sitzenden Directori alle Liebe, Treue und Gehorsam erweisen, sich auch weder in noch außer den Verbrüderungs-Geschäften ihrer Weisheit rühmen, noch den Director um Sachen fragen, welche das Verhältnis ihrer Grade übersteigen, viel weniger denselben mit spitzfindigen Fragen drängen, oder ans einge­bildeter großer Gelehrsamkeit ihn, für unfähig halten, oder wohl gar verachten und verlachten; im Fall sich aber durch einen oder mehrere ein so äußerst ordnungswidriger Unfug äußern sollte, so müßte der Director eine wahrhafte und ordentliche Klageschrift dawider aufsetzen, solche in offener Convention ablesen, und ob sie gegründet und den Ons Obern einzusenden sey, von allen Anwesenden pro et contra notiren, und das libellum von sämtlichen Gliedern nach eines jeg­lichen Meinung unterschreiben lassen, an die Behörde ver­schicken, und die Entscheidung erwarten.

 

§ 6.

Und nachdem der O. von 9 Gliedern erfüllet, und der Directorial-Tisch in seine gehörige Ordnung gebracht worden, als worauf vorzüglich zu denken, und nach denen noch ab­hängigen Subjectis zu trachten ist, so sollen die nöthigen Chargen ausgetheilet, nach Art der Glieder wohl bestellet, auch bey allen Versammlungen vor die requisiten und Armen­cassa gesammlet, und der effective cassae Stand jedesmal publice verrechnet werden.

 

§ 7.

So verbietet auch das strenge Ons-Gesetz von der Unkenn­barkeit der Obern bey schwerer Ons Strafe, aile Bbr. über­haupt sich von der Auskundschaftung der Directoren anderer Zirkel oder wohl gar der höhern Ons Obern völlig zu ent­halten, den eigenen O.-Director keinem Gliede eines andern Zirkels kennbar zu machen, und so ja ein Oder anderer Br. einen Obern gegen diese Verordnung unschuldig, oder aus Versehen desselben entdeckt hätte, ihn vor allen übrigen Bbrn. tief in seinem Herzen verschlossen zu behalten. Desgleichen verbindet dasselbe unter noch weit schwererer Ahndung alle Ons Obere, sich vor allen niederen Bbrn. so ihrer O.-Direction nicht unmittelbar einverleibet sind, äußerst verborgen zu halten; weil a) diese weisest angeordnete Verborgenheit wider die sträfliche Ehrsucht des Ansehens, und wider die Herrschungs­lust, wodurch Eigenliebe und Stolz viele Menschen unbemerk­lich zu täuschen und zu verstricken pflegen, wie nicht minder gegen alle ordnungswidrige Zudringlichkeiten minderer Br., da sie niemand kennen darf, sicher verwahret; b) weil sie das böse Vorurtheil oder den Personal-Hall wider sammt und sonderheitlich dirigirende Ons-Glieder verhindert, und alle verdammliche Wirkungen des Neides entkräftet; auch c) den untern Bbrn. für den hohen On eine geziemende Ehrfurcht einflößet, selbe beym pflichtmäßigen Gehorsam erhält, und ihre Standhaftigkeit im Guten bewahret: nicht minder d) der Verrätherey und dem Gesetze, so wie der Gewalttätigkeit und Meineid der Bbr. widersteht, und e) andurch die Directions­-Form in stiller Wirksamkeit, ohne Zwist einfach, regelmäßig, unveränderlich, gleichlautend und allgemein verbleibt, des­gleichen f) erlaubet diese Unkennbarkeit der höhern Ons Obern zum Besten des Ons die untern Zirkel zu besuchen, Unordnungen auf verschiedene Arten zu entdecken, und zu deren Abstellung die nützlichsten Verfügungen zu treffen, und somit g) kann eine jede Ungerechtigkeit, die wider die Liebe Gottes und des Nächsten durch ausgeartete Bbr. verübt werden möchte, um so leichter ohne Ansehen der Person ausgerottet werden; als die hohen Ons Obern bey ihrer Unkennbarkeit weder von dem Hochmuth und Rachgierde, noch von eigen­mächtigen Nachstellungen etwas zu befahren haben; hieraus aber werden die entweder zu wißbegierigen, oder gar scheel­süchtig judicirende Bbr. ohne die noch höhern und unmittelbaren Absichten der höchsten Ons Obern erwähnen zu dürfen, schon ersehen und begreifen, die frommen und getreuen Ons Glieder aber mit freudigen Herzen frey bekennen müssen, daß die Verborgenheit und Unkennbarkeit der Ons Obern in aller Wahrheit gerecht, gut und notwendig und auf die darüber errichteten Orden-Satzungen mit dem strengsten rigneur pünktlich zu halten sey.

 

NB. Damit aber sich niemand so leicht der Erfüllung obiger Punkte oder §en entziehen, und mit der Unwissenheit ent­schuldigen möge, so müssen solche bey allen Quartal-Con­ventionen deutlich und klar abgelesen werden.

 

 


 

From the Juniorus grade of the Gold und Rosenkreutz Order of 1777

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